- Silberdenar Karls des Großen ist das Prunkstück der jüngsten Grabung. Auch eine Bronzemünze aus der Merowingerzeit und Zeugnisse frühmittelalterlicher Handwerkskunst wurden gefunden.
- Erstmals wurde belegt: Der Aachener Katschhof ist schon seit Anfang des 12. Jahrhunderts ein befestigter Platz.
- Die wichtigsten aktuellen Fundstücke zur Aachener Stadtgeschichte sind ab sofort in einer Vitrine im Centre Charlemagne zu sehen.
Aachen atmet Geschichte: (v.l.) Stadtbaurätin Frauke Burgdorff, Stadtarchäologe Andreas Schaub und Dr. Frank Pohle (Leiter der Route Charlemagne) freuen sich über die jüngsten Funde auf dem Katschhof. Die aufwendige Grabung wird zudem von ehrenamtlichen Helfer*innen des Arbeitskreises Archäologie Aachen unterstützt. Foto: Stadt Aachen / Stefan Herrmann
In diesen Tagen wächst es wieder, das Budendorf auf dem Katschhof. Ende November steht die Eröffnung des Aachener Weihnachtsmarkts an. Während der Publikumsmagnet dieses Jahr voller Stolz sein 50-jähriges Bestehen feiert, können Stadtarchäologe Andreas Schaub und sein Team noch ein gutes Stück weiter zurück in die Geschichte blicken. Denn dort, wo bald Glühwein getrunken und Süßes genascht wird, waren in den vergangenen Wochen Schaub & Co. mit Schippe und reichlich Expertenwissen unterwegs. Bei Grabungen auf dem Katschhof haben sie mehrere besondere Fundstücke ans Tageslicht gebracht. Und sie geben den Menschen einige neue Öcher Anekdötchen an die Hand, die sie in Kürze beim Glühwein erzählen können: „Wisst ihr, seit wann der Katschhof ein richtiger Platz ist? Nein!? Seit Anfang des 12. Jahrhunderts.“ Das hat die aktuelle Grabung nämlich ergeben. „Zu dieser Zeit ist die erste befestigte Oberfläche des Katschhofs entstanden“, verrät Schaub eine Erkenntnis, die der jüngste Blick ins Aachener Erdreich zutage gefördert hat.
Stadtbaurätin Burgdorff: „Aachen atmet Geschichte“
„Prunkstück der bisherigen Grabung ist jedoch sicherlich ein Silberdenar Karls des Großen“, fügt Schaub an. Präsentiert wurden die Entdeckung und viele weitere im Rahmen eines Pressetermins am Mittwoch (15. November) gemeinsam mit Stadtbaurätin Frauke Burgdorff und Dr. Frank Pohle, Leiter der Route Charlemagne. „Aachen atmet an jeder Ecke Geschichte“, weiß Frauke Burgdorff nur zu gut. „Die aktuellen Entdeckungen unserer Stadtarchäologie und den großartigen ehrenamtlichen Helfern schenken uns erneut Puzzleteile, die Neues über die Struktur unserer Stadt und die Leben der Menschen von damals verraten. Wo wurden großen Plätze angelegt? Wo arbeiteten die mittelalterlichen Handwerker mit welchen Werkzeugen? Ich finde es persönlich spannend, immer wieder etwas aus diesen frühen Kapiteln Aachener Geschichte zu erfahren. Fachlich greifen wir dieses Wissen selbstverständlich auf und lassen es als Stadtplanerin und Stadtplaner in unsere Arbeit von heute einfließen.“
Der Silberdenar Karls des Großen ist überhaupt erst die siebte Münze der gesamten Karolingerzeit aus dem Aachener Stadtgebiet – also eine echte Seltenheit. Nicht zuletzt deswegen sind die wichtigsten Fundstücke der aktuellen Grabung nun in einer Sondervitrine im Stadtmuseum Centre Charlemagne, nur einen Steinwurf vom Grabungsort ebenfalls am Katschhof gelegen, ausgestellt.
Prunkstück der aktuellen Funde: ein Silberdinar Karls des Großen (datiert nach 793/794 n. Chr.). Foto: Stadt Aachen / Holger Hermannsen
Dr. Frank Pohle ist froh über die bewährte Zusammenarbeit zwischen Stadtarchäologie und Stadtmuseum: „Das Spannende an der Grabung sind einmal mehr die Funde und Befunde aus den karolingerzeitlichen Schichten. Eine in allen Punkten schlüssige Rekonstruktion der Ostseite des Katschhofes im 9. Jahrhundert liegt noch nicht vor. Insofern freuen wir uns über alles, was zur Klärung des Bildes beiträgt.”
Einblick in das mittelalterliche Aachen
Nachdem im vergangenen Jahr ein 120 Jahre alter und kranker Baum gefällt werden musste, da die Standsicherheit nicht mehr gewährleistet war, rückten in den vergangenen Wochen die Archäologen auf dem Katschof – nahe des Durchgangs zur Krämerstraße – an. In einer Baugrube, die zentral zwischen historischem Dom und Rathaus liegt, wächst die Wahrscheinlichkeit, Neues aus der Vergangenheit ans Tageslicht zu bringen. Das Loch ist nun für die Dauer des Weihnachtsmarktes verfüllt worden. Im Anschluss stehen abschließende archäologische Untersuchungen an, bevor ein neuer Baum an der Stelle gepflanzt werden kann und das grüne Katschhof-Ensemble wieder vervollständigt.
Was fand das Expertenteam noch?
- In der frühmittelalterlichen Handwerkerschicht fand sich ein Glasmosaikstein mit Goldfolienüberzug. Wurden die Mosaiksteine für die Marienkirche Karls des Großen womöglich hier produziert? Weitere Untersuchungen sollen Klarheit schaffen.
- Eine kleine Bronzemünze stammt vermutlich aus der Merowingerzeit. „Es wäre erst die vierte Münze dieser Zeit aus Aachen“, betont der Stadtarchäologe.
- Gußtiegelfragmente und Bergkristallfragmente illustrieren und belegen das Handwerk des Frühmittelalters.
- Knochenperlen und Werkabfälle zeigen, dass auch noch im 16. Jahrhundert dort Handwerker arbeiteten. Sie produzierten Rosenkränze aus Knochen.
Diese kleine Bronzemünze stammt vermutlich aus der Merowingerzeit (6. Jahrhundert). Es wäre erst die vierte Münze dieser Zeit aus Aachen. Foto: Stadt Aachen / Holger Hermannsen
Neben der Datierung, seit wann der Katschhof ein befestigter Platz ist, konnten die Geschichtsexperten weitere wichtige Erkenntnisse gewinnen. Denn die Frage steht sogleich im Raum: Was war eigentlich an der Stelle zwischen Dom und Kaiserpfalz, bevor der Platz angelegt wurde? Schaub erklärt: „Im Frühmittelalter – also auch zur Karolingerzeit – befand sich dort ein stark handwerklich geprägter Bereich. Es gibt Spuren von Eisen und Bronzeproduktion beziehungsweise -verarbeitung. Vielleicht sind wir sogar auf Hinweise zu einer Bergkristallwerkstatt gestoßen.“ Ob es sogar Hinweise auf die Pfalzbauhütte sind, oder ob es sich einfach um normale Handwerker in der Pfalzsiedlung handelt, ist derzeit noch offen und bedarf weiterer Analysen.
Ein bisher unbekanntes Pfalzgebäude?
Zudem spekulieren die Archäologen seit der jüngsten Grabung darüber, ob es auf dem Katschhof ein weiteres, bislang unbekanntes Pfalzgebäude gegeben hat. „In der Grabungsfläche fanden sich überraschend Reste einer großen Bruchsteinmauer, die entweder noch während oder aber kurz nach der Handwerksnutzung dort errichtet wurde. An dieser Stelle waren zuvor keine festen Gebäude bekannt“, gibt Schaub Einblicke in die bisherige Forschungslage.
Aktuell im Centre Charlemagne ausgestellt: Im eintrittsfreien Foyer des Stadtmuseums sind Funde der Katschhof-Grabungen zu sehen. Foto: Stadt Aachen / Stefan Herrmann
Zu guter Letzt sind die Archäologen womöglich auf Spuren der Belagerung Aachens von 1248 gestoßen. Schriftliche Quellen berichten: Wilhelm von Holland hat im Jahr 1248 Aachen belagert und mithilfe eines aufgeschütteten Damms die Bäche (Paunelle, Johannisbach) aufgestaut, worauf die halbe Altstadt unter Wasser stand. Das führte die Stadt schließlich zur Aufgabe. Zwar wurden in den 1950er Jahren Reste des mutmaßlichen Damms lokalisiert, aber es wurden bisher noch keine archäologischen Spuren der tatsächlichen Flut nachgewiesen. Berechnungen von Wissenschaftler Bernhard Pröschel im Rahmen einer Dissertation an der RWTH Aachen haben ergeben, dass die Flut bis etwa zur Mitte des Katschhofs gereicht haben müsste. „Die jetzigen Grabungen haben nun eine mutmaßliche Schwemmschicht ans Licht gebracht, die archäologisch tatsächlich in das 13. Jahrhundert datiert werden kann“, berichtet der Stadtarchäologe. Prof. Frank Lehmkuhl forscht am Lehrstuhl für Physische Geographie und Geoökologie des Geographischen Instituts der RWTH. Er war der Doktorvater von Pröschel und hat nun eine Probe entnommen. So soll im Labor final geklärt werden, ob es sich tatsächlich um eine Schwemmschicht handelt. Sollte diese Gewissheit liefern, könnte schon bald das nächste Öcher Ameröllche wasserfest beim Glühwein erzählt werden: „Wisst ihr eigentlich, dass einmal die halbe Altstadt und mit ihr der Katschhof genau hier, wo wir gerade stehen, von einem mittelalterlichen Kriegsherren geflutet worden ist? Nein!? Dann hört mal zu…“